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Das Ritual

Dieses Abschiedsritual ist 1999 an der Erdkinderschule mit dem ersten Abschlußjahrgang der Schülerinnen und Schüler der 9.und10. Klasse entstanden. Über das Heranwachsen der Schüler, die als erstes unsere Gemeinschaft verlassen würden, wurde uns klar, dass wir für das Ende der Schulzeit einen Rahmen schaffen wollen, der dem langen gemeinsamen Weg und dem Abschied sowie dem jeweiligen Neubeginn würdig ist.

Wir, als die ältere Generation, sehen es als unsere Aufgabe, die Jugendlichen aus dem Alten, Bisherigen, in das Neue zu geleiten. Erfüllt von eigenen Erfahrungen und in Anlehnung an die Visionssuche der school of lost borders, entwickelten wir gemeinsam mit Verena und Heiko Nitschke ein Abschiedsritual - letztlich für alle: die Jugendlichen, die Lehrer, und erwachsenen Vertrauten, die Eltern.

          

Für alle ist das eine grosse Veränderung, viele der Schüler beenden einen Lebensabschnitt. Abschied von den Freunden und dem täglichen zusammen Sein. Abschied von den Lehrern, die oft Vertraute und Wegbegleiter waren. Abschied von Plätzen, die viel persönliche Geschichte bergen. Abschied vom Aufgehoben sein in einer vertrauensvollen Gemeinschaft und Abschied von einem großen Teil der Kindheit. Das selbstverständliche In-die-Schule-gehen ist nun vorbei. Für die Jugendlichen steht in dieser Zeit die Entscheidung an, in welche Richtung sie als nächstes gehen werden; es sind unbekannte unsichere Ufer die sie weiter beschreiten - immer mehr von Eigenverantwortung gekennzeichnet. Das macht Angst und ist zugleich ein aufregender Schritt ins Erwachsenwerden und zur Unabhängigkeit von den Eltern. Diese müssen loslassen, ihr Kind in die Welt ziehen lassen, die voller Abenteuer aber auch Gefahren steckt.

Im walkAway können sie das rituell erproben und vollziehen, den eigenen Abschiedsschmerz annehmen und die Freude über einen vollendeten Lebensabschnitt feiern, sich im loslassen und Vertrauen üben. Auch für die Lehrer ist hier Raum, nochmal zu reflektieren“was haben wir von dir gelernt- gezeigt bekommen?“. Zeit haben, sich von den Schülern zu verabschieden, die sie teilweise über viele Jahre begleitet haben, das Kind durch die Krise der Pubertät zum Jugendlichen begleitet haben, durch viele Höhen und Tiefen hindurch. Die Zeit dieser engen Begleitung ist vorbei. Nun in Frieden und Verbundenheit auseinandergehen können. Zeit sich zu danken- Zeit sich zu verzeihen-Zeit für sich.
Dieser grosse Schritt, den die Jugendlichen hier gehen, wird rituell von allen Anwesenden gewürdigt und bekräftigt.

       Anja Kleer & Martin Schuster


1.ter Tag    Ankommen am Schultipi.

Die Jugendlichen treffen am Schultipi ein und werden von den Begleitern des Rituals empfangen. Es ist Zeit um alles Wichtige auszutauschen und eine letzte kleine Mahlzeit zusammen einzunehmen, bevor das Ritual beginnt. Während eines letzten gemeinsamen Spazierganges über das Schulgelände wird Abschied genommen von den vertrauten Plätzen. Erinnerungen werden ausgetauscht, wie war das als ich an die Schule gekommen bin? Was hat sich seitdem verändert? Was verlasse ich? Zurück im Schultipi wird die Räucherschale herumgereicht. Der Rauch verbindet alle miteinander, zugleich reinigt er das Alte und schafft Raum für neues. Das Ritual hat begonnen. Es beginnt die Vorbereitung auf die Zeit draussen: Worauf muß ich achten, wenn ich da draußen alleine unterwegs bin? Sicherheit, Fasten, Abschied, Angst, Allein Sein, Neubeginn. Die erste Nacht verbringen alle noch gemeinsam im Tipi. Gesprächskreise mit dem Redestab, Erinnerungen an die Schulzeit die Kindheit werden ausgetauscht. Den Jugendlichen wird als "Gute Nacht Geschichte" die Geschichte von Springende Maus vorgelesen. Zur Nachtwache kommen erwachsene Begleiter um bis zum Sonnenaufgang das Feuer zu hüten.

          

2.ter Tag    Abschied von der Gemeinschaft.

Die Schüler werden bei Sonnenaufgang mit Trommeln geweckt. Sie packen ihre Sachen und machen sich bereit hinauszugehen. Einzeln werden sie über die gemeinsam gestaltete Schwelle geführt. Segen und gute Wünsche begleiten sie. Sie gehen symbolisch aus dem Alten hinaus und begeben sich nun alleine weiter auf ihre eigene Reise, der Begegnung mit der Natur und somit mit sich selbst. Der Kreis der Erwachsenen hütet weiterhin das Feuer. Den ganzen Tag und die darauffolgende Nacht, bis zur Rückkehr der Jugendlichen. Es wird geschwiegen, getrommelt und getanzt. Viele Gedanken und Erinnerungen über die Jugendlichen werden ausgetauscht oder einfach gedacht und gespürt. Gute Wünsche werden für jeden persönlich in Bändchen eingewebt. Kleine Medizinbeutel werden gebastelt und mit Dingen gefüllt, die den Jugendlichen auf ihrem neuen Weg gute Begleiter sein sollen.

          

3.ter Tag    Die Jugendlichen kommen zurück

Rückkehr über die Schwelle in den Kreis der Gemeinschaft. Die Jugendlichen werden einzeln zurückgeräuchert und von Etlern und Lehrern empfangen. Die neuen Erfahrungen, Ideen, Wünsche, Gebete, Einsichten, das Gefühl für die Gruppe, sich selbst und die Natur mit all ihren Wesen, muss nun von der Zeit alleine und auf wunderbar selbstverständliche Art mit allem verbunden, in die Gemeinschaft hineingetragen werden. Du bist eine Andere als die, die hinausgegangen ist. Du kehrst als ein Anderer zurü+ck, als der, der hinausgegangen ist. Die Jugendlichen erzählen nacheinander, im Kreise aller Anwesenden, die Geschichte ihrer Erlebnisse und Erfahrungen der einsamen Fastenzeit in der Natur, jenseits der Schwelle. Das Aussprechen all dessen, in diesem rituellen Rahmen, manifestiert auf sehr verbindende Weise das eigene Erlebte.Alle Anwesenden sind Zeugen, dass das erlebte wahr ist. Dadurch erhält es noch mehr Kraft. Jeder Zuhörer ist zugleich Beschenkter, mit dem diese besonderen Geschichten geteilt werden. Jede Geschichte wird vom sogenannten Ältestenrat gespiegelt. Das sind einfach Erwachsene, die bereits die Zeit jenseits der Schwelle absolviert haben. Das Spiegeln sit eine Art tiefes Lauschen der erzählten Geschichte. Ihre Bedeutung wird dann auf eine Weise wiedergespiegelt, die dem Erzähler ermöglicht, der eigenen Geschichte nochmals "tief zu lauschen", sie als wahr anzunehmen und sie hinaus ins Leben zu tragen, um ihr Wirkung zu verleihen. Auch die Eltern sprechen dann zu ihren Kindern, würdigen den Schritt, den sie gegangen sind. Die Jugendlichen erhalten kleine, symbolische Geschenke. Für jeden wird gesungen.